BAG, 07.02.2019, Az.: 6 AZR 75/18
Konkret ging es darum, dass ein Arbeitnehmer (im Folgenden AN genannt) krank wurde. Der Arbeitgeber (im Folgenden AG genannt) suchte diesen daheim auf und teilte diesem mit, dass er "dessen Faulheit nicht mehr unterstütze" und legte im einen Aufhebungsvertrag vor, der bereits vom AG unterzeichnet war. Krankheitsgeschwächt unterschrieb dies der AN und wollte 3 Tage später nach seiner Genesung den Aufhebungsvertrag widerrufen.
Das BAG hat ein Widerrufsrecht abgelehnt, da §§ 312b, 312g BGB auf arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge nicht anwendbar sind. Ein Aufhebungsvertrag ist jedoch unwirksam, wenn er unter Missachtung des Gebots der fairen Verhandlung zustande gekommen ist. Dieses Gebot ist eine zu beachtende Schutzpflicht gem. §§ 311 II Nr. 1, 241 II Var. 3 BGB. Sie wird verletzt, wenn eine Seite eine psychische Drucksituation schafft oder ausnutzt, die eine freie und überlegte Entscheidung des Vertragspartners über den Abschluss eines Aufhebungsvertrages erschwert oder unmöglich macht. Der unfair behandelte Teil ist gem. § 249 I BGB so zu stellen, als hätte er den Vertrag nicht geschlossen.
Kommentar: „Das BAG lehnt zu Recht eine Anwendung des Widerrufsrechts ab. Dies ist keine Neuheit. Auch die vorvertragliche Verletzung hinsichtlich des Gebots der fairen Verhandlung ist überzeugend. Nicht jedoch ist in dieser Entscheidung nachvollziehbar, warum der Weg über die Naturalrestitution des § 249 I BGB gewählt wird, da dem unfair behandelten Teil grds. ein Anspruch auf Zustimmung zur Vertragsaufhebung zusteht. Insofern wäre grds. eine Klage auf die Abgabe einer Willenserklärung zu richten. Die Folge aus dieser Entscheidung ist jedoch, dass künftig eine andere Klageart hergenommen werden muss. Damit behandelt das BAG den § 249 I BGB quasi als ein der Anfechtung ähnliches Gestaltungsrecht.“
BAG, 23.09.2015 - 5 AZR 146/14
Konkret ging es darum, dass ein für die US-Streitkräfte tätiges Sicherheitsunternehmen einen Drogentest auf Wunsch des Kunden für ihre Mitarbeiter anordnete, wobei sich ein AN weigerte. Diesem wurde die Einsatzgenehmigung seitens des Kunden widerrufen & vom AG wurde er unbezahlt freigestellt, während der Arbeitnehmer seine Leistung weiter anbot, ohne den Test jedoch machen zu wollen. Infolgedessen wollte er den Lohn weiter bezahlt haben.
Grds. gilt, dass wenn dem AN die geschuldete Arbeitsleistung unmöglich wird, sich die Rechtsfolge für seinen Vergütungsanspruch gem. § 615 BGB bestimmt. Wenn sich der Arbeitgeber bei Eintritt der Unmöglichkeit im Annahmeverzug befindet gilt ansonsten § 326 II 1 Alt. 1 BGB. Das Risiko des Arbeitsausfalls gem. § 615 S. 3 BGB meint jedoch das von der Rechtspr. entwickelte Betriebsrisiko. Dies meint das Risiko des Arbeitsgebers seinen Betrieb betreiben zu können. Folglich urteilte der BAG, das der Mitarbeiter, der den Drogentest verweigert hatte, kein Anspruch auf Vergütung hatte.
Auch § 15 II TzBfG hilft hier nicht weiter, denn dieser hält lediglich das Arbeitsverhältnis aufrecht. Der Wortlaut der Norm besagt aber nicht, dass auch der Vergütungsanspruch unabhängig von der Erfüllung seiner jeweiligen Voraussetzungen aufrechterhalten werde.
Kommentar: „Die Entscheidung überzeugt auf ganzer Linie. Das Risiko war für den AN bereits bei Vertragsschluss erkennbar. Diesem musste auch später klar sein, dass seine Verweigerungshaltung zum Entzug der Tätigkeitsgenehmigung & somit in der Folge zum Verlust des Arbeitsplatzes führen würde. An eine Verantwortlichkeit des AG wäre allenfalls zu denken gewesen, wenn die Genehmigung zu Unrecht widerrufen worden wäre, was jedoch hier nicht der Fall war.“
BAG, 07.08.2012 - 9 AZR 353/10 & EuGH, Urteil vom 22.11.2011, C-214/10 - KHS gg. Schulte
Ganz grundsätzlich gesagt, verfällt der gesetzl. Urlaub ersatzlos, wenn er nicht bis zum Jahresende genommen wird. Das gilt aber nach der Rechtspr. des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und des Bundesarbeitsgerichts (BAG) nicht für den Urlaub, den Arbeitnehmer wegen einer (Langzeit-)Erkrankung nicht nehmen konnten.
Jedoch darf das „Ansparen“ von Urlaubsansprüchen bei langer Erkrankung zeitlich begrenzt werden. Das entschied der EuGH 2011 in einem Fall, in dem es um eine tarifvertragli. Verfallsfrist von 15 Monaten (gerechnet ab dem Ende des Urlaubsjahres) ging. Eine solche zeitliche Begrenzung des Urlaubsschutzes in Krankheitsfällen hielt der EuGH für europarechtlich zulässig.
Kommentar: „Der Gesetzgeber hat hier richtig reagiert und somit eine Höchstgrenze für den Urlaub bei Dauerkrankheit gesetzt. Relevant ist dies v.a. bei der Urlaubabgeltung gem. § 7 IV BUrlG. War jemand früher mehrere Jahre krank geschrieben, ohne dass er Urlaub nehmen konnte und schied danach aus dem Arbeitsverhältnis aus, konnte er auch für mehrere Jahre Urlaubsabgeltung geltend machen. Diese Abgeltung betrug nicht selten mehrere tausend Euro. Unter dem Blickwinkel, dass v.a. kleine und mittelständische Unternehmen dies gerade doppelt hart traf, weil ja nicht nur in dieser Zeit die Arbeitskraft fehlte, sondern nun auch Urlaubsabgeltung in quasi unbegrenzter Höhe geltend gemacht werden konnte, erscheint eine Festsetzung der Dauer auf 15 Monate hinsichtlich beider Seiten nur allzu gerecht.“
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